Die Bibliothek der besonderen Kinder
Spoiler-Alarm für alle, die den 2. Band nicht gelesen haben. Meine Rezension zu „Die Stadt der besonderen Kinder“ findet ihr unter Urban Fantasy.
Handlung:
Der Bahnhof wird zur Falle. Aussichtslos scheint die Flucht aus dem Gemäuer, immer weiter werden die verbliebenden Kinder zurückgedrängt. Doch in diesem Moment erwacht eine Gabe in Jacob. Sie bricht aus ihm heraus in einer Sprache, die ihm den Hollow zum Untertänigen macht. Sie rettet Emma, Addison und ihm das Leben – zunächst. Denn auf der Suche nach den besonderen Kindern müssen sie bald größeren Gefahren trotzen. Die Spur führt sie in die viktorianische Zeitschleife, genannt Devil’s Arce. Es ist ein Ort, der seinem Namen alle Ehre macht. Hier leben Abtrünnige des Volkes der Besonderen. Sie sind Verräter, Abhängige, Diebe und Mörder. An der Seite des Fährmanns Sharon begeben sich Jacob und Emma in das Gewirr aus Gassen und Häusern, wandeln zwischen Angst und Wut. Die Wights scheinen nahe, doch die Befreiung unmöglich. Wem können sie trauen auf einer Reise, von der die Zukunft der Besonderen abhängt? Kommt jeder, der ihnen Hilfe bietet, wirklich in ehrlicher Absicht? Als die Verzweiflung unerträglich wird, müssen sie Bündnisse schließen. Bündnisse, die ihre Welt bald ins Wanken bringen sollen, denn nicht nur Sharon ist verwoben in alte Intrigen. Doch es gibt Hoffnung: die Seelenbibliothek Abaton. Sie könnte die Rettung sein – oder der Untergang. Werden es Jacob und Emma schaffen, ihr Geheimnis zu lüften?
Meinung:
Nach dem unerwarteten Cliffhänger des letzten Bandes konnte ich es kaum erwarten „die Bibliothek der besonderen Kinder“ zu lesen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Ransom Riggs spannt den Spannungsbogen über die Buchdeckel hinweg zu Band 3, setzt Zeile um Zeile eben jene Szene fort, die im zweiten Buch Abbruch gefunden hatte. Sofort bin ich wieder eingetaucht in eine Welt im Zwiespalt, habe Gefahren und Ängsten getrotzt und die Protagonisten auf ihrem Weg begleitet. Hierbei setzt Ransom Riggs das düstere Geschehen in eine neue Zeit, zeichnet mit dem viktorianischen Slum die perfekte Bühne für ein spektakuläres Finale. Devil’s Arce hat mich das Gruseln gelehrt, gefesselt und doch immer wieder überrascht. Ich war sprachlos im Anbetracht der Grausamkeit der Wights, sie hat mich immer wieder schlucken lassen. Unglaublich detailliert beschreibt der Autor das Leben in den Gassen, gibt jeder noch so unbedeutenden Nebenfigur Charakter und Gestalt. Ich war wieder einmal beeindruckt von seinem Ideenreichtum und seiner Gabe, eine Stimmung zu erschaffen, die bedrückend und faszinierend zugleich ist.
Hinein in Devil’s Arce gelangen auch Jacob, Emma und Addison. Der Begleiter des Trios ist Sharon, ein Fährmann, der sie auf seinem Boot in die Zeitschleife gebracht hat. Schon seine äußerliche Gestalt ist geheimnisvoll. Schmal und lang ragt sein Körper in die Höhe, stets gehüllt in einen Mantel, der ihn vollends verdeckt. Sein Gesicht zeigt er nie, nur seine Stimme klingt hinab zu den Besonderen, wird ihr Halt in einer Welt voll Unsicherheit. Doch trotz des geringen Umfangs der Gruppe ist das Verhältnis meist angespannt und distanziert. Es gibt nur wenige liebevolle Szenen, selbst zwischen Emma und Jacob. Sie alle sind von der Bürde gezeichnet, die ihnen auferlegt ist. Der Druck steigt von Tag zu Tag und damit auch die Angst, die weiteren besonderen Kinder nie wieder zu sehen. Doch sie lassen sich nicht unterkriegen, beweisen Mut und innere Stärke ebenso wie Zusammenhalt und Entschlossenheit. Ihre kindliche Gestalt haben sie fast gänzlich abgelegt, zerrissen von den Umständen, mit denen sie konfrontiert sind. Ich habe sie für ihr Durchhaltevermögen bewundert, das ihnen nicht zuletzt Jacobs Gabe schenkte. Ich fand es unglaublich spannend, wie er sie weiterentwickelt, mit dem Hollows versucht zu kommunizieren. Doch mit seiner Gabe kommen auch Erwartungen auf, die zu groß für ihn scheinen. Gerade in diesen Momenten blitzt Schwäche durch seine harte Fassade, Überforderung, Hoffnungslosigkeit. Ransom Riggs zeigt die Charaktere mit einer Ehrlichkeit, die bewundernswert ist. Zeigt, dass auch jeder noch so großer Held nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen besitzt.
Auch im dritten Band hat die Wortgewalt des Autors brilliert. Sein detaillierter Schreibstil hat in meinem Kopf lebendige Bilder erschaffen und die düstere Atmosphäre bis in meinen gemütlichen Lesesessel gebracht. Ich bin beeindruckt von dem Tiefgang, der Ransom Riggs in die Feder gelegt ist, fasziniert von der Klarheit, mit der er die Gefühle der Protagonisten ausdrucksstark zeichnet. Trotzdem bin ich ein wenig enttäuscht, wie wenig er die historischen Umstände der viktorianischen Zeit in die Handlung mit einbezieht. Während in den letzten beiden Bänden der zweite Weltkrieg eine zentrale Rolle im Geschehen einnahm, wird in „die Bibliothek der besonderen Kinder“ der geschichtliche Hintergrund weitgehend verdrängt.
Neben den ausführlichen Beschreibungen spiegeln auch die Fotografien das Geschehen auf ihre eigene Weise eindrucksvoll wider. Sie verstärkten die düstere Atmosphäre, lassen den Lesenden teils staunend, teils in Furcht zwischen den Seiten verweilen. Auch diese Aufnahmen sind bis auf wenig Nachbearbeitung alle das Zeugnis aus vergangener Zeit. Nun bekommen sie im vorliegenden Werk eine völlig neue Geschichte, verschmelzen mit einer Welt aus Wort und Schrift.
„Manchmal schien Emma in ihrem Kopf ganze Dialoge mit mir zu führen – in die ich nicht eingeweiht war -, und sie reagierte frustriert, wenn sie mich endlich einweihte und ich kein Wort verstand. Ihr Gehirn arbeitete so schnell, dass es sich selbst überholte.“
Fazit:
Die Bibliothek der besonderen Kinder ist ein packendes Finale voll fesselnder Spannung und unglaublichem Ideenreichtum. Seid gefasst auf unerwartete Wendungen, zwielichtige Charaktere und eine Kulisse, die ihr nicht vergessen werdet.
Titel | Die Bibliothek der besonderen Kinder |
Autor | Ransom Riggs |
Verlag | Knaur |
Erscheinungsjahr | 2016 |
Seitenzahl | 544 |
Preis | 14,99 € |
Band | 3 |
Eure Jasmina