Rezension,  Urban Fantasy

Der Atlas der besonderen Kinder

Spoiler-Alarm für alle die den 3. Band nicht gelesen haben. Meine Rezension zu „Die Bibliothek der besonderen Kinder“ findet ihr unter Urban Fantasy.

Handlung:

Seit die besonderen Kinder bei Jacob in Florida weilen, sind sie unabhängig von jeglichen Zeitschleifen, können sich frei in der Gegenwart bewegen. Es gibt viel zu lernen, wenn man aus einem anderen Jahrhundert stammt, und ebenso viel zu entdecken. Während die besonderen Kinder davon träumen, ihre neuen Fähigkeiten für große Aufgaben einzusetzen, hat Miss Peregrine andere Pläne. Sie möchte, dass sie den Wiederaufbau der Zeitschleife Devil’s Arce unterstützen, hat kein Verständnis für den Hochmut, der ihre Schützlinge überkommt. Die Neugierde aber bleibt und so begeben sich die besonderen Kinder in das alte Haus von Jacobs Großvater. Es ist ein Ort, den nicht nur Jacob mit vielen Erinnerungen verbindet. Auch Emma kämpft mit der Trauer um Abe, wird übermannt von einer Woge der Gefühle. Sie wollen gemeinsam Abschied nehmen, Abschied von einer vergangenen Zeit. Doch dieses Vorhaben scheitert. Sie finden mehr zwischen den Wänden als altes Mobiliar, stoßen auf ungelüftete Geheimnisse. Jacob beschließt sich dem Vermächtnis seines Großvaters anzunehmen und fortzuführen. Er hofft auf die Hilfe seiner Freunde, doch Miss Peregrines Schützlinge sind gespalten. Nur wenige wagen es, sich der Headmistress zu widersetzten, brechen heimlich mit Emma und Jacob auf. Ein rätselhafter Auftrag führt sie durch die Bundesstaaten und auch quer durch Raum und Zeit. Denn anders als in Europa gibt es hier viele unerforschte Zeitschleifen, mit Clans von Besonderen, die über ganze Gebiete herrschen. Nicht nur ihr Mut wird auf die Probe gestellt, auch ihre Freundschaft droht zu zerreißen…

Meinung:

Der vierte Band einer Trilogie. Ich muss ehrlich sagen, dass ich zunächst skeptisch war, als ich „Der Atlas der besonderen Kinder“ in der Hand hielt. Der Kampf gegen die Wights war gewonnen, das Schicksal der Besonderen so gut wie gerettet. Wie sollte es nun weitergehen? Am Ende war ich doch zu neugierig und habe die erste Seite aufgeschlagen. Und es war die richtige Entscheidung. Ransom Riggs schöpft das Potential der Gegenwart vollständig aus, lässt die Charaktere in einer Welt agieren, die ihnen in jeder Hinsicht fremd ist. Immer wieder musste ich schmunzeln, wie unbeholfen die besonderen Kinder den Alltag bei Jacob in Florida meistern, über jedes noch so winzige Detail staunen. Doch das Leben im 21. Jahrhundert hält auch Konflikte bereit. Und dann ist da noch Abes Vermächtnis, das nicht nur den Mut der besonderen Kinder, sondern auch ihre Freundschaft auf die Probe stellen soll. Denn auch wenn sie wieder einmal Zusammenhalt und Stärke bei ihrer Reise durch die Bundesstaaten beweisen müssen, lauern hinter der Fassade Unsicherheit und Zweifel. Gerade Emma kämpft mit ihren Gefühlen, wird zwischen ihrer Liebe zu Abe und zu Jacob zerrissen. Das sorgt für Befangenheit bei Jacob. Mehr und mehr verliert er sein Selbstwertgefühl, versucht Abe nachzueifern und Emma seine Stärke zu zeigen. Dabei weiß er besser als jeder andere, dass er ihn nicht ersetzen kann, nicht ersetzen wird. Doch diese Gedanken verdrängt er, ein Zustand, der ihm zum Verhängnis werden soll. Nicht nur das Verhältnis zwischen Emma und Jacob wandelt sich, auch die Beziehung zur Headmistress ist von Veränderung gezeichnet. Während früher ihr Wort in jeder Situation Gesetz war, begehren nun die Schützlinge gegen sie auf. Haben sie nicht gezeigt, dass sie nicht länger Kinder sind? Waren sie es nicht, die die Welt der Besonderen von den Wights befreit haben? Jeder muss selbst zu diesen Fragen Position beziehen, doch die Meinungen sind gespalten. Immer mehr distanziert sich ein jeder innerhalb der Gruppe, eine Entwicklung, die ich mit Spannung verfolgt habe. Sie verschafft der vordergründigen Handlung eine zweite Ebene psychischer Natur. Eine Ebene, die dem Buch seine Tiefe schenkt und aus Wort und Schrift Charaktere aus Fleisch und Blut formt.

Auch in diesem Band konnte mich Ransom Riggs mit seinem Ausdruck begeistern. Unglaublich detailliert zeichnet er das Geschehen, arbeitet die verschiedenen Zeitschleifen aus. Seine Wortgewalt hallt zwischen den Buchdeckeln wider, erschafft in meinem Kopf lebendige Bilder. Dabei lässt er selbst in der Gegenwart die düstere Stimmung aus den letzten Bänden Einzug finden, überzieht die Realität mit einem fantastischen Schleier. Auch an Spannung mangelt es dem Abenteuer nicht. Ganz im Gegenteil. Mit der Gegenwart öffnet Ransom Riggs eine neue Tür, die den Zeitschleifen um nichts nachsteht.

Neben dem bildhaften Schreibstil verleihen auch die alten Fotografien dem Abenteuer eine gewisse Lebendigkeit. Neben den schwarz-weißen Aufnahmen sind diesmal auch Bilder in Farbe zwischen den Kapiteln zu finden. Sie schaffen eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, verkörpern die neue Zeit, mit der die besonderen Kinder konfrontiert werden. Immer wieder habe ich mich in den Aufnahmen verloren, ihre Stimmung eingesogen und die Symbiose aus Schrift und Bild wirken lassen.

„Diesen Wagen zu fahren und zusammen mit diesen Menschen laut mitzusingen, versetzte mich in ein rauschhaftes Hochgefühl, wie ich es nie zuvor verspürt hatte. Als würde die Welt uns gehören. Das ist mein Leben. Und ich werde damit tun was ich will.“

Fazit:

Der Atlas der besonderen Kinder ist eine gelungene Fortsetzung der Trilogie. Ich kann sie nur jedem ans Herz legen, der auch bei diesem Abenteuer die besonderen Kinder begleiten möchte und offen ist für einen neuen Blick auf die Gegenwart.

Fakten:

TitelDer Atlas der besonderen Kinder
AutorRansom Riggs
VerlagKnaur
Erscheinungsjahr2020
Seitenzahl512
Preis14,99 €
Band4

Eure Jasmina

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