High Fantasy,  Rezension

Gliss – Tödliche Weite

Handlung:

Ajit weiß, dass er Letz niemals verlassen wird. Letz, der wortwörtlich letzte Ort auf dem Planeten Reihen sich vor ihm mehrere Dörfer aneinander, liegt hinter ihm nur noch eins: Die schier endlose Weite, das Gliss, wie es Ajits Vorfahren einst tauften. Auf ihm herrscht keine Reibung, sind die Gesetzte der Physik außer Kraft gesetzt. Ein Stück seines Materials zu entfernen, geschweige denn abzubauen, ist absolut unmöglich. Was einmal auf dem Gliss landet, bewegt sich unkontrolliert fort, kreist einige Male um den Planeten bis es im Höllenloch verbrennt. Nicht nur Ajit hat großen Respekt vor der Weite, selbst erfahrene Glisser bewegen sich nur auf ausgewählten Pfaden mit stabilen Holzbarken von einem Dorf zum nächsten. Ein Umstand, der niemanden einschränkt, gibt es doch außer den wenigen Dörfern nur die unberechenbare Weite. Trotz aller Furcht trägt der Planeten seinen Namen zurecht: Hope. Ja, nach Jahren im All war er die ersehnte Hoffnung für die Siedler, mutige Männer und Frauen, die neue Heimat auf neuen Planeten suchten. Er gab ihn alles, was sie zum Überleben brauchten aber brachte zunächst Zwietracht über sie.

Ajit hat die alten Geschichten schon oft gehört. Meuterer waren es gewesen, die kurz vor der Landung im Raumschiff einen Aufstand veranstalteten, mit Waffen gegen ihre eigenen Leute vorgingen. Nur dem mutigen Captain Hordack hatten es die Siedler zu verdanken, unbeschadet Hope zu erreichen, während die Aufständischen im Weltraum verschwanden. Sein ganzes Leben hat Ajit die Geschichten geglaubt, Captain Hordack bewundert und nie in Frage gestellt, dass allein der Captain und seine Offiziere über Hope schalten und walten. Bis eines Tages ein toter Mann in Letz angespült wird. Um seinen vertrockneten Hals ein Anhänger. Ein Anhänger aus Gliss. Ajit ist klar: Sie sind nicht die Einzigen auf dem Planeten. Die Aufständischen haben überlebt. Zusammen mit seinem besten Freund Phil und der „schönen Majala“ macht er sich auf in die Weite, ohne zu ahnen, was ihn erwartet…

Meinung:

Ich habe wochenlang diesem neuen Buch entgegengefiebert. Schon als ich das Cover in der Bibliothek entdeckte, war ich einfach nur begeistert. Kalt erstreckt sich das graue Gliss zum Horizont, der glühenden Sonne entgegen. An seinem Rand die Schemen dreier Jugendlicher, die jenes Gliss befahren wollen: Ajit, Phil und Majala. Gute Freunde aus Letz, die doch ganz unterschiedliche Gründe für den Aufbruch in die Weite hegen. Ist Phil allein dem Abenteuer verfallen, möchte Majala einem Leben an der Seite Nagendras als Märtresse entfliehen. Ajit dagegen steht ein Gerichtsverfahren in der Hauptstadt bevor, dass höchstwahrscheinlich im Gefängnis enden wird. Und nicht zuletzt würde er alles tun, um an der Seite der „schönen Majala“ sein zu können. Eine spannende Freundesgruppe, die viel Potential für die Ausarbeitung starker und tiefgründiger Protagonisten bildet. Leider jedoch hat Andreas Eschbach dieses nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft. Alle drei Charaktere werden auf wenige Eigenschaften reduziert: Ajit, der physikbegeisterte Träumer, der für Majala schwärmt. Phil, der mutige Draufgänger. Majala, das hübsche Mädchen von nebenan, die technisch sehr begabt ist. Punkt. Das war’s. Von den Nebencharakteren brauche ich da gar nicht erst anzufangen… Ich bin wirklich sehr enttäuscht Für mich lebt jedes gute Buch auch von außergewöhnlichen und starken Charakteren.

Diese drei Jugendlichen würde ich hingegen eher als Skizze eines Charakters bezeichnen, die grob und unfertig in eine ABSOLUT GRANDIOSE WELT HINEINGESETZT WURDEN! Denn sind die Figuren auch blass und verwackelt, erstrahlt die Kulisse in allen Farben. Der Weltenbau von Andreas Eschbach ist mehr als gelungen. Der Planet Hope hat von der ersten Seite an etwas faszinierendes, das mich in seinen Bann ziehen konnten. Da war die Trostlosigkeit in Letz, in dem jeden Tag alles seinen gewohnten Gang geht, doch auch die Bedrohung des Gliss und seine Rätsel, die es den Menschen aufgibt. Nicht zuletzt ist da die Diktatur durch den Captain. Seine Herrschaft stets gebilligt, nie hinterfragt, kennen die Bewohner Hopes doch kein anderes System. Alle Aspekte werden kritisch von Andreas Eschbach bearbeitet und beschrieben. Immer mehr weckte er bei mir während des Lesens die leise Ahnung: Irgendetwas passt hier nicht zusammen. Doch wie viel wirklich verschwiegen wird, soll sich erst später herausstellen…

Andreas Eschbachs Schreibstil ist klar, anschaulich, direkt – und am Anfang leider etwas langatmig. Die ersten 60 Seiten waren mit wenig Handlung, dafür umso mehr „Welterklärung“ gefüllt. Das fand ich einerseits spannend, da man auch viel über die Vergangenheit der Siedler und über das Weltbild der Bewohner Hopes erfahren hat. Als jedoch umständlich die Zeitrechnung Hopes in allen Details zum Ausdruck kam, wurde es mir doch ein bisschen viel. Sobald Ajit, Phil und Majala sich in die Weite aufmachen, nimmt die Geschichte wortwörtlich an Fahrt auf. Es folgt eine Herausforderung auf die nächste, begleitet von stetig steigender Spannung. Ich kann dir also nur raten, der Geschichte etwas Zeit zu geben und nicht zu schnell das Buch wegzulegen.

Fazit:

In Gliss erwartet dich eine spannende und faszinierende Welt, die dich sofort in ihren Bann ziehen wird. Dem stehen leider oberflächliche Charaktere gegenüber, die meinem Gesamteindruck vom Buch sehr geschadet haben. Somit wurden meine Erwartungen an Andreas Eschbachs neuen Roman leider nicht erfüllt. Trotzdem ist und bleibt er ein toller Erzähler, der es immer wieder schafft, mich an grandiose Orte zu entführen.

Fakten:

TitelGliss – Tödliche Weite
AutorAndreas Eschbach
VerlagArena
Erscheinungsjahr2021
Seitenzahl453
Preis22 €

Eure Jasmina

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